Mehr als eine Woche ist vergangen und noch immer sind nicht alle Opfer des Erdbebens aus den Trümmern geborgen. In diesen Tagen sind unsere Mitarbeiter unermüdlich damit beschäftigt, der Bevölkerung von Aleppo, Latakia, Knayeh und Yacoubieh zu helfen. In den Notunterkünften werden täglich mehr als 4.000 Menschen mit Lebensmitteln, Medikamenten, Decken und anderen lebensnotwendigen Dingen versorgt.
Unter den Menschen, denen geholfen wird, ist auch Youssef, eine Keffiyeh (deutsch ugs. Palästinensertuch) auf altmodische Weise um den Hals gebunden, Qahwe (Kaffee auf Arabisch) in der Hand und den Blick ins Leere gerichtet. Er denkt an sein Restaurant,an sein Haus zwischen den Olivenbäumen in Knayeh (Nordsyrien),das es jetzt nicht mehr gibt. Das Restaurant, in dem täglich 200 Gedecke serviert wurden, ist verschwunden und die Olivenbäume sind entweder abgeholzt, verbrannt oder zerstört"."Wir hatten ein Haus in den Hügeln in Knayeh, wir hofften, eines Tages dorthin zurückzukehren, aber es hat dem Beben nicht standgehalten und ist eingestürzt",sagt er. Als sie 2018 geflohen waren, hatten sie eine kleine Wohnung in einem Wohnblock mit Blick aufs Meer gefunden, die sie günstig mieten konnten. Die Wohnung in Latakia war klein, aber als die Kinder ins Ausland gingen, war sie ihnen so groß erschienen Der ewig vertriebene Youssef, dessen Haus ihm weggenommen wurde und dessen Grundstück nun zerstört ist, kann nie wieder in sein zweites Haus zurückkehren. Heute ist er in unserem Aufnahmezentrum und nimmt unsere Decken an, während er von einer besseren Zukunft träumt".
In Aleppo zitterte Ibrahims Herz erneut. Tränen strömten aus seinen kleinen, blinden Augen. Ibrahim hat die Welt noch nie gesehen, er hat nur ihre Geräusche gehört, ihre Gerüche wahrgenommen und gelernt, dass manche Dinge bei Berührung brennen und andere weich sind, wie Umarmungen. Er erinnert sich an jede einzelne. Nicht zuletzt, weil der kleine Ibrahim in seinen sechs Jahren noch nicht so viele bekommen hatte.
Obwohl er schon so viel im Krieg durchgemacht hat: so viel Angst hatte er noch nie! Als das Erdbeben kam, stand er ganz still da. Alles um ihn herum war zusammengebrochen, er hatte Sand im Mund und Staub in der Nase. Er schmeckte Blut in seinem Mund, dann kam Stille und Regen. Er suchte sofort Schutz in unserem Zentrum und er brauchte Essen und etwas Trost.
Farida ist kaum fünf Jahre alt und steckt mit dem Kopf und den kleinen Armen in den Trümmern, sie rüttelt und wühlt eifrig
Plötzlich rollt sie den Schutthügel hinunter und klettert doch wieder hinauf; der Schatz ist zu wertvoll, um ihn so leicht aufzugeben. Sie packt den Gegenstand und zieht erneut, ihr Gesicht ist schmutzig vom Staub, ihre Lumpen sind beschmutzt mit Erde, Zucker und Gewürzen, die in dem ehemaligen Haus für Geschmack sorgten. Farida sucht weiter, wieder zieht sie, so fest sie kann, bis sie endlich die ersehnte Wolldecke findet, eingeklemmt zwischen Felsbrocken und Eisen. Sie hat keine Eltern mehr, heute haben wir sie in unser Zentrum in Latakia gebracht, wo wir ihr eine neue Decke gegeben haben, sowie Essen und was sie im Moment braucht.
Wir suchen weiter und hoffen, dass wir unter den Trümmern des Erdbebens noch Menschen finden, die leben. Und dann werden wir wieder anfangen zu bauen, wie wir es immer getan haben.
Wir zählen erneut auf Ihre Hilfe